Tipp 1 : flexible und abenteuerlustige Crew zusammenstellen
Schon bei der Anreise stellen wir fest: Sonnenbrille, Sonnenhut und T-Shirts können diesmal getrost im Gepäck verstaut bleiben. Eher kühle Temperaturen kündigen sich für das Wochenende im Burgund an – während die Sonne es sich vor allem im Norden Europas gemütlich gemacht hat, Grillfeste und Strandbummel auf den Plan rufend. Vielleicht hätten wir ja doch in Mecklenburg fahren sollen? Nein, wir bleiben überzeugt. C’est la vie, wir sind gut vorbereitet und planen gedanklich eben einfach ein wenig um. Im Auto wird nun statt über Grillgut und Fahrradtouren über Teesorten, das Heizsystem an Bord und den Proviant im Allgemeinen gefachsimpelt. Ein wenig Flexibilität ist beim Hausbootfahren gefragt, jede Reise für sich birgt ein Abenteuer in sich. Je nach Wetterlage kann das Bootsdeck nicht unterschiedlicher anmuten: man stolpert über ausgestreckte Sonnenanbeter, oder findet dort nur den wetterfesten Kapitän vor. Wer diesmal das Rennen macht ist schon ziemlich klar, Gedrängel und Geschubse wird es an Deck nicht geben, soviel ist klar.
Am Abend kommen wir mit dem Wagen in Dompierre an. Zu spät für eine komplette Übernahme des Bootes, aber gerade richtig, um uns nach dem Bettenbeziehen und frisch machen mit der unverhältnismäßig braungebrannten italienischen Mannschaft des Nachbarboots auszutauschen. Da diese ihr Boot am nächsten Morgen zurückgeben wird, nach einer Woche auf der Sonnenseite des Lebens, wie man den Gesichtern und Geschichten entnimmt, sind sie nur zu gern bereit uns ihre gesammelten Lieblingsadressen zu verraten. Das Restaurant im Ort hat an diesem Freitagabend leider geschlossen. Schade für uns, aber gut zu wissen für den nächsten Aufenthalt: das „Olive“ wird in hohen Tönen gelobt. Dann gibt es noch einen anderen Tipp für uns: während der Tour hatten die Italiener am Kanal festgemacht und zur vollsten Zufriedenheit im La Péniche gespeist. Wir schauen auf die Karte, der kleine Ort Pierrefitte-sur-Loire liegt etwa 10 Kilometer entfernt und ist mit dem PKW noch gut erreichbar.
Tipp 2 : Mag ich nicht? Gewohnheiten ablegen und bezaubern lassen
Da eine Fahrt im Burgund natürlich auch für allerfeinstes Essen steht, begeben sich alle Mann an diesem Abend nur zu gern noch einmal ins Auto und werden im „La Péniche“ mit pochiertem Ei mit Specksauce, Barschfilet, einer Platte mit geröstetem Gemüse für unseren Vegetarier, mit Wein, crème brûlée und Obstsalat, Schokokuchen und Blätterteigspezialitäten für den Aufwand belohnt. Etwas, was man sich in einem burgundischen Restaurant nicht entgehen lassen darf: den Käse. Die Käsespezialitäten wie Epoisse, St. Nectaire, Ziegenkäse (chêvre) und Comté werden voller Stolz mit dem Servierwagen vorgefahren und dem Gast jede Sorte liebevoll vorgestellt. Wir machen große Augen und fühlen uns wie an Weihnachten, als wir uns jeder drei Sorten zum Kosten aussuchen dürfen. Die Käsestücke werden frisch mit dem Messer geschnitten und auf einem kleinen Teller serviert, garniert mit Marmelade oder frisch zerkleinerten Walnüssen.
Als wir die im Dunkeln liegende Straße „nach Hause“ fahren und das Boot betreten, erwartet uns dampfende Hitze. Übereifrig hatten wir den Thermostat auf Anschlag gedreht. Bei dieser Besetzung benötigt die Pénichette 1500FB „Chez le Roi“ jedoch kaum noch Unterstützung beim Aufwärmen, sieben weinbeseelte Leute tun ihr Übriges. Das Essengehen war lang, die Anreise von unserem Wohnort aus ins Burgund noch länger, die erste Nacht nun hoffentlich am längsten. So verabschiedet sich schnell einer nach dem anderen in die Koje mit dem selbstbezogenen Bett (eine interessante Aufgabe übrigens, für einige zunächst rätselhaft, doch letztendlich hatten alle Teile – Kopfkissen- und Deckenbezug, Kissen- und Matratzenschoner – ihre Verwendung gefunden). Die folgende Stunde lassen sich noch wasserpumpenauslösende Tätigkeiten verfolgen, dann ist alles ruhig. Der Liegehafen liegt still und friedlich da, man scheint hier in der Gegend mit ungewöhnlich wenig Straßenbeleuchtung auszukommen.
Tipp 3 : Stille auf sich wirken lassen und Zeit für eine Auszeit nutzen
Gegend 8 Uhr erwacht die Mannschaft. Gestern hatte ich laut getönt, – das war noch vor dem reichhaltigen Abendessen – , man solle am Morgen gemäß Programm und Bootsnamen auch „wie bei König“ (chez le roi) frühstücken. Also auf nach Dompierre „downtown“. Nach ca. 5 Gehminuten schon finde ich den Bäcker um die Ecke. Die Neugierde treibt mich ein Stück weiter in Richtung Kirche, wo es prompt ein weiteres Geschäft mit herrlichen Bäckereiwaren gibt, die einladend ausgelegt sind. Mir und meinen mangelhaften Französischkenntnissen kommt das sehr entgegen. Hier kann ich mich dank Zeigefingereinsatzes, zugegebenermaßen etwas feige, vor der schwierigen Aussprache drücken. Aufgrund eines speziellen Angebots, das ich erst im Nachhinein verstehe – 3 gekauft, 1 gratis dazu – schleppe ich kurz danach Unmengen von Brot durch den Ort, verpackt in einer riesigen braunen Papiertüte. Es kommt wie es kommen muss: Ein prächtiger Regen setzt ein und ich erreiche klitschnass und triefend das Boot. Zumindest werde ich schon freudig erwartet und von den Mitreisenden umkreist und umsorgt.
„Pêche“? Jochen streckt mir freudig die Glasflasche mit Pfirsichnektar entgegen. Ich fahre mir durch die nassen Haare: „Nein, danke. Pesch hatte ich gerade genug“. Die Aussage wird zum running gag des Trips.
Nach dem Frühstück kommt der Locaboat Einweiser an Bord und will uns das Boot erklären. Wir kennen uns ja bereits ziemlich gut mit den Pénichettes aus und wollen die Erklärungen eigentlich ein wenig abkürzen. Da der freundliche Herr jedoch perfekt deutsch spricht, nutzen wir gern die Chance und lassen uns noch mit ein paar speziellen erweiterten Kenntnissen zu diesem Bootstyp 1500FB, dem größten von Locaboat, versorgen. Mit aufgefrischtem Wissen machen wir gegen 10 Uhr los, verstauen ordnungsgemäß das Stromkabel, lösen die Leinen und verlassen das Hafenbecken. Ah, wie hatte ich diese Ruhe vermisst. Nur noch Grün, Natur und Vogelstimmen, kein Straßenlärm, kein Stress. Unsere Mannschaft ist sich einig: so sieht Erholung und Urlaub mit Freunden aus. Das Wetter wird einhellig zur wohl nebensächlichsten Sache der Welt erklärt.
Tipp 4 : Grüßen und grinsen „bis zum Anlegen“ bringt gute Laune mit sich
Unsere Fahrt ist gerahmt von Schleusen in angenehmen größeren Abständen, kurbelnd von den eifrigen und freundlichen Schleusenwärtern des VNF bedient. Unsere Haupttätigkeit besteht darin entgegenkommenden Booten und Besatzungen enthusiastisch zuzuwinken, ebenso den die Treidelpfade nutzenden Sportlern und Spaziergängern. Auch Angler sitzen geruhsam am Ufer und heben die Hand. Je mehr PK (point kilométrique) wir zurücklegen, desto mehr stellt sich dieses altbekannte, wohlige Gefühl bei uns ein. Etwas Wunderbares passiert: Man freut sich plötzlich riesig über wildfremde Leute, über völlig unbekannte Mitmenschen, die man auf der Straße eventuell bis wahrscheinlich aus schlichter Unachtsamkeit keines Blickes und Grußes gewürdigt hätte… Hier aber auf dem Wasser wird man auf Anhieb zu Bootsfreunden, es wird gewunken, gelächelt, gewitzelt, geholfen.
Wir lenken die Pénichette am Schauplatz unserer gestrigen Völlerei vorbei. Während der Fahrt fällt der Blick auf überraschend messerscharf geschnittene Hecken. Wir sehen Pferde, Hunde, Reiher, Kälber, Kühe, Lämmer und Schafe – und Plastikenten, die scherzhaft im Wasser schwimmen und den Hausbootfahrer auf die Schippe nehmen. Das Ufer ist gesäumt von Schilfgras, Ulmen und Pappeln mit Nestern aus Mistelzweigen. Der Fluss Loire gerät einige Male in Sichtweite, die gesamte Landschaft hier wirkt sanft und ist von Flusstälern geprägt. An einer wohl besonders kuhlastigen Stelle werden wir von einer Horde dicker Fliegen attackiert, wir springen und fuchteln wild mit den Armen. Wie durch Zauberei ist die ganze Armada aber nur 10 Meter weiter wieder vollständig von der Bootsfläche verschwunden. Wir lehnen uns wieder entspannt zurück, lesen uns durch die Gewässerkarte und werden philosophisch. Die burgundischen Kanäle wurden für die Flösserei und den Transport von Keramikwaren genutzt, haben stets den Menschen und ihren Handelsinteressen gedient. Was würden unsere Vorfahren wohl dazu sagen, dass nun wasseraffine Menschen aus aller Welt hier den Urlaub verbringen? An dieser Stelle wollen wir uns also einmal offiziell bei den fleißigen französischen Vorfahren bedanken, die uns diese bezaubernde Reiseform ermöglicht haben.
Tipp 5 : den kleinen Dingen Gewichtung geben und wieder staunen
Nach vielen kleinen Abenteuern und der Entdeckung von Wundern, die die Natur nur für den aufmerksamen Beobachter bereit hält, erfreut sich die gesamte Gruppe an der spektakulären Überquerung der Kanalbrücke von Digoin. Nur ein Boot kann zeitgleich die Brücke überqueren, Gegenverkehr bei 6 m Breite unmöglich. Gleich darauf im Ort angekommen machen wir fest und schlagen unser Nachtlager hinter einer kleinen Pénichette aus der Locaboat Flotte auf. Wir erkunden die Stadt Digoin, die den Wechsel zwischen „Canal Latéral à la Loire“ und „Canal du Centre“ markiert, laufen am Ufer der Loire entlang, besichtigen das Keramikmuseum, das bemerkenswerte Gebäude der Post und den historischen Brunnen. Unser Weg führt uns auch durch die Fussgängerzone und wir sichern uns für den Abend, angesichts unserer Mannschaftsgröße lieber weise im Voraus, Plätze im Restaurant „des Diligences“.
Nachdem wir uns in Schale – was in diesem Fall so viel wie Regenjacke heißt – geworfen haben, spazieren wir zum festlich gedeckten Tisch des „Diligentes“ hinüber. Auch hier erwartet uns wieder ein Menu vom Allerfeinsten. Wir sind uns absolut sicher, schon bald, im Sommer?, zurück in diese gaumenfreundliche Region zu kommen. Diesmal hatte uns ein preisgünstiges Locaboat Angebot mit Namen „Green Break“ spontan dazu verleitet, unsere Mannschaftsformation nach vier Jahren Pause wieder aufleben zu lassen. 160 € pro Person für das Wochenende fanden wir mehr als fair.Zumal auch der Dieselverbrauch schon mit drin war, genau wie die Endreinigung des Bootes. Das nächste Mal soll nun nicht lange auf sich warten lassen. Es juckt uns in den Fingern eine Woche ab Dompierre zu fahren, und dann die Passage nach Roanne zu unternehmen. Boot, Leute, Essen, Service, Ruhe, Frieden, Landschaft – alles überzeugend. Nur ein bisschen weniger „Pesch“ mit dem Wetter wünschen wir uns für das nächste Mal, denn dann gehört das Baden in der Loire, das Fahrrad fahren und Grillen am Ufer unbedingt mit auf das Reiseprogramm.
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